Während der 5 Jahre in verschiedenen Kriegsgefangenenlagern wird für Preußler „die Kunst Halt und Stütze“, wie er 1946 auf seiner ersten Karte aus dem Lager Kasan vermerkt. Für seine Mithäftlinge verfasst er einfache Verse, Heimweh- und Trostgedichte, die er mit selbstgefertigter Tinte auf Zementsackpapier schreibt. Viele seiner lyrischen Texte kursieren unten den Gefangenen bis in die entferntesten Lager der Sowjetunion.
Ab 1946 organsiert Preußler im Silikatlager Kasan auch Theateraufführungen. Viele Stücke stammen aus seiner Feder. Neben Fastnachtsspielen schreibt er Komödien wie ‚Mein geliebtes Porzellan‘ oder des ‚Kaisers neue Kleider‘. Die Aufführungen erfolgen unter widrigsten Bedingungen, jedoch stets mit großem Erfolg. Gegen Ende der Gefangenschaft verfasst er auch das ernste, problemorientierte Schauspiel ‚Kang-Chen-Dzönga‘. Darin wird eine Episode einer deutschen Himalaya-Expedition thematisiert. In diesem Stück setzt sich Preußler mit elementaren Fragen zu Macht, Verantwortung, Befehl und Gehorsam auseinander. Ohne explizit auf Krieg und NS-Staat einzugehen, werden in dem Drama dennoch Preußlers Erfahrungen aus jener Zeit literarisch bearbeitet. Das Stück löst unter den Mithäftlingen lebhafte Diskussionen aus. Wochenlang danach gibt es im Lager noch heftige Meinungsverschiedenheiten über die Aufführung. Preußler notiert dazu: „Ein guter, vielleicht der beste Beweis dafür, dass die Problemstellung sitzt“.
Der Literaturwissenschaftler Carsten Gansel resümiert, dass Preußler mit „Kang-Chen-Dzönga“ ‚quer zum gängigen Opfernarrativ‘ in der Nachkriegszeit liegt, das die ältere Generation um den Preis der eigenen Entschuldung auf die Anklagebank setzt. In Preußlers moralischem Kosmos gibt es stets eine Entscheidungsmöglichkeit.